Digitale Spiele und Schule?! Das erklärt sich für viele Menschen nicht von selbst. Und doch sind jede Menge Expertinnen und Experten dabei, die Motivation von Kindern und Jugendlichen für digitale Spiele für den formalen Bildungsbereich zu nutzen – und diese Methoden allen als OER zur Verfügung zu stellen. Das BMBF hat daher zwei Fachgespräche organisiert, um die Potentiale und Hürden dieser lebensweltnahen Aufgabe zu diskutieren.
Am 11. und am 12. Februar fanden in den Räumlichkeiten des BMBF in Berlin zwei Fachgespräche zum Thema „Level Up! Lernen in und mit digitalen Spielen“ statt. Insgesamt 21 Expertinnen und Experten waren vor Ort, um ihre jeweiligen Perspektiven und Schwerpunkte in die Debatte um Games im Schulunterricht einzubringen. Es war ein breites Spektrum an Fachdisziplinen aus Theorie und Praxis vertreten. Die Expertinnen und Experten brachten ihre Expertise u.a. aus den Bereichen der Medienpädagogik, Fachdidaktik, der Spieleentwicklung und Diversitätsforschung sowie aus den Feldern Inklusion, der Analyse problematischen Spielverhaltens und der Schulpraxis ein.
Im Vorfeld der Fachgespräche wurden von allen Teilnehmenden Statements erbeten, die dann als Vorbereitung ausgewertet und geclustert wurden. Diese Ergebnisse waren Grundlage für die anregenden Diskussionen vor Ort und intensive, fokussierte Arbeitsgruppen.
Status quo

Die ersten Antworten aus den Statements waren eine Bestandsaufnahme des Lernens und Lehrens mit digitalen Spielen im schulischen Unterricht in Deutschland. Diese Erkenntnisse wurden vor Ort noch einmal ergänzt. Einhellig wurde festgestellt, dass das vorhandene Potential in der Praxis nicht ausgeschöpft wird und die Umsetzung von Methoden allzu oft von einzelnen Akteuren abhängig ist. Bemängelt wurden Forschungsdesiderate sowie eine geringe Materialmenge mit Lehrplanpassung. Insgesamt wurde der Wunsch nach einer besseren Vernetzung aller Stakeholder und Akteure deutlich und wie wichtig ein klarer politischer und rechtlicher Rahmen für eine Verbesserung der Situation wäre.
Perspektiven

Im Anschluss stand die Frage im Fokus, welche Potenziale Lernen mit digitalen Spielen bietet. Dabei wurde deutlich, dass nicht nur der Lebensweltbezug der Kinder und Jugendlichen zentral ist, sondern spielerisches Lernen die Motivation maßgeblich erhöhen kann: Hier sind alternative Wissenszugänge und Perspektivwechsel niedrigschwellig möglich. Digitale Spiele sind vielseitig einsetzbar, wenn die Ausstattung und das didaktische Wissen der Fachkraft zur Nutzung vorhanden sind. Zudem eröffnen digitale Spiele Möglichkeiten für Inklusion und das Lernen von Zukunftskompetenzen wie Kreativität und Kollaboration.
Hindernisse

In insgesamt vier Arbeitsgruppen wurden die in den Statements aufgeführten Barrieren, Gefahren und Herausforderungen für digitale Spiele im Unterricht diskutiert. Benannte Hindernisse waren nicht nur mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz des Mediums und entsprechend negative Begleitumstände, sondern auch die Schul- und Unterrichtsstruktur, die oft noch zu starr ist für kreative spiele-bezogene Lehr- und Lernmethoden. Zudem gab es Kritik an Spielen für mangelnde Diversität der Inhalte und zu hohe technische Hürden bei Spielzugängen. Kritisch angemerkt wurden auch organisationale Fragen bezüglich IT-Ausstattung der Schulen, Nutzungsbedingungen, sowie Jugend- und Datenschutz.

In Arbeitsgruppen wurden anschließend mögliche Handlungsfelder nach Aufwand und Nutzen bewertet: Wie hoch wäre der Aufwand, um dieses Hindernis zu beseitigen? Und wie groß der Nutzen bei Erfolg? Im Fokus standen dabei die „Quick Wins“ (im Bild unten rechts) als Ansätze, durch die mit wenig Aufwand viel erreicht werden könnte. Ein Beispiel dafür wäre die Etablierung von Ansprechpersonen: Wenn es niedrigschwellige Beratung für Lehrkräfte gäbe, könnten schnell mehr Spiele eingesetzt werden. Aber auch „Strategisch wichtige Inhalte“ (im Bild oben rechts) wurden diskutiert; dort wäre die Lösung zwar komplexer, aber für eine langfristige und erfolgreiche Nutzung digitaler Spiele in der Schule ebenso notwendig. Ein Beispiel dafür ist der Abbau von Hürden sozialer Ungleichheit, also gerechte Voraussetzungen zu schaffen bezüglich des Zugangs zu digitalen Spielen und der dafür notwendigen Hardware. Zwischen den vier Arbeitsgruppen ergaben sich sowohl große Übereinstimmungen als auch deutliche Unterschiede, insbesondere in der Einschätzung/Analyse des erforderlichen Aufwandes.
Vision

Abschließend wurden die in den Statements ausgearbeiteten Schwerpunkte diskutiert: Im Vordergrund stand hierbei die Frage, welchen Fokus die Politik in ihren nächsten Schritten setzen sollte. Die Cluster wurden dazu in vier Arbeitsgruppen diskutiert, erweitert oder erneuert, um anschließend bepunktet zu werden. Viele der Anmerkungen waren Vorschläge z.B. bezüglich Forschung und Innovationsförderung, andere konzentrierten sich auf Ausbau und Förderung von Netzwerken und Dissemination von Praxis und Theorie. Weitere Schwerpunkte lagen beispielsweise auf der Infrastrukturfinanzierung und den rechtlichen Rahmenbedingungen, die für die Nutzung digitaler Spiele in der Bildung in vielen Bereichen eine Herausforderung sind. Anschließend wurden die Ideen von den Teil-nehmenden gewichtet.
Ausblick
Im Anschluss an die Fachgespräche wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen mit Blick auf die Zuständigkeiten des Bundes sortiert. Die identifizierten möglichen Handlungsansätze finden sich in – nicht priorisierten Abschnitten – in der folgenden Tabelle wieder. Nach der Regierungsbildung und abhängig von den Prioritäten einer neuen Ressortleitung werden wir mit den Ergebnissen weiterarbeiten.
Handlungsansatz | Inhaltliche Aspekte |
Forschungsförderung | • Gelingensbedingungen (an verschiedenen Schultypen) • Diversitätssensibilität in und um Spiele • Einstellungen von allen Stakeholdern • Leuchtturmprojekten und Disseminationsstrategien • Interdisziplinarität (alle Ebenen) • Games als Strukturmerkmal • Haltung(sentwicklung) von Lehrkräften |
Lehrkräfte | • Game Based Learning in der Lehrkräfteausbildung verankern • Qualifizierungen anbieten • Überforderung entgegenwirken (z.B. Stundenkontingente) • Partizipative Projekte ermöglichen und fördern • Haltung wechselseitigen Lernens fördern |
Rechtlichen Rahmen ändern und / oder Leitlinien bereit stellen | • Datenschutz • Jugendschutz • Gemeinnützigkeit e-Sport • Urheberrecht |
Verbesserung der Ausstattung von Schulen bezüglich Games | • Infrastruktur (z.B. Spielkonsolen) • Software • Assistive Technologien • Differenzierte Lehrmaterialien anbieten |
Kontakt zu Stakeholdern in der Spieleindustrie | • Account Sharing / Bildungaccounts ermöglichen • Bereitstellung von Bildungslizenzen ermöglichen • Bildungsmodus für Spiele in der Entwicklung mitdenken • Adaptivität in der Entwicklung inkludieren |
Netzwerke schaffen oder stärken | • Mehr bzw. andere Materialien, z.B. mit Lehrplananbindung • Kollektives Wissensmanagement beim Game-Based-Learning • Integration mit OER fördern • Klare Ansprechpersonen • Kuratierte Spielesammlungen • Qualitätsstandards • Partizipative, inklusive Gestaltungsräume |
Öffentliche Akzeptanz fördern | • Politische Leitlinien veröffentlichen • Stärkung bereits Engagierter, z.B. Lehrpreise vergeben • Haltung wechselseitigen Lernens fördern |